Prof. Dr. Matthias Pletke

Neue Wahlordnung zur Betriebsratswahl 2022

Die alle vier Jahre stattfindenden Betriebsratswahlen sind kompliziert und fehleranfällig und führen nicht selten zu Anfechtungsverfahren vor den Arbeitsgerichten. Um so wichtiger ist es, hier rechtlich auf dem neusten Stand zu sein. Zu beachten ist daher die neue Wahlordnung zum Betriebsverfassungsrecht, die zum 15.10.2021 in Kraft getreten ist und im nächsten Jahr bei den anstehenden Betriebsratswahlen erstmals zur Anwendung kommt. Hier lohnt sich ein Blick auf die Details sowohl für die Arbeitgeberseite als auch für Betriebsräte.


Nachdem kürzlich das BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz geändert wurde, folgte nun im zweiten Schritt eine Änderung der Wahlordnung zum BetrVG. Dieser Schritt war längst überfällig, da insbesondere Video- und Telefonkonferenzen seit Beginn der Corona-Pandemie zum Standard gehören.

Ermöglichung von Video- und Telefonkonferenzen

Der Wahlvorstand hat grundsätzlich weiterhin in Präsenz zu tagen, wie das auch bisher der Fall war. Abweichend hiervon kann jedoch der Wahlvorstand zukünftig seine Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz abhalten, soweit er dies förmlich beschließt. Der Wahlvorstand muss dies auch nicht besonders begründen. Bestimmte Aufgaben sind allerdings weiterhin in Präsenz zu erbringen. Die Stimmauszählung und die Erstellung der Wahlniederschrift müssen z.B. ohne Ausnahme weiterhin in physischer Anwesenheit der Mitglieder des Wahlvorstands erfolgen.

Neuregelung zur Briefwahl

Weiterhin ist der Versand von Briefwahlunterlagen nun auch in weiteren Fällen möglich. Nach alter Rechtslage durften den Wahlberechtigten grundsätzlich nur auf Verlangen Briefwahlunterlagen zugesandt werden, wenn sie voraussichtlich wegen der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses am Wahltag abwesend sind. Dies erfasste insbesondere Arbeitnehmer im Außendienst. Nach dem neu gefassten § 24 II WO können Briefwahlunterlagen nunmehr auch aus anderen Gründen, wie etwa wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses oder der Arbeitsunfähigkeit versandt werden. Neu ist auch, dass mit der Öffnung der Briefwahlumschläge erst nach der Stimmabgabe begonnen werden darf. Auch diese Änderung war überfällig, da die Beeinflussung einer laufenden Präsenzwahl zu vermeiden ist.

Berichtigungsmöglichkeit der Wählerliste verlängert

Zur Ausübung des aktiven Wahlrechts zur Wahl des Betriebsrats ist die Eintragung der wahlberechtigten Arbeitnehmer in die Wählerliste erforderlich. Bisher konnte diese Liste selbst im Falle offensichtlicher Unrichtigkeit nur bis zum Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe berichtigt werden. Diese Frist ist nunmehr verlängert werden, so dass die Richtigkeit der Wählerliste auch noch am Tag der Wahl bis zum Abschluss der Stimmabgabe geprüft und die Wählerliste ggf. berichtigt werden kann.

Präsenzwahl ohne Wahlumschläge

Nach den Änderungen der Wahlordnung genügt es zukünftig, dass der Wahlzettel in einer Weise gefaltet wird, dass die Wahlentscheidung von außen nicht erkennbar ist. Wie man es nicht machen soll, hatte bei der Bundestagswahl gerade der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet gezeigt. Wahlumschläge sind also künftig obsolet.

Hinweispflichten des Wahlvorstandes

Die diesbezügliche weitere Änderung zeigt, wie diffizil letztlich die Durchführung einer Betriebsratswahl ist. Mit einer Ergänzung in § 3 II Nr. 3 WO soll der Wahlvorstand im Wahlausschreiben neben der Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen die Richtigkeit der Wählerliste auch auf die Rechtsfolge bei Versäumung der Einspruchsfrist nach § 19 III S. 1 und 2 BetrVG hinweisen. Die Wahlberechtigten verlieren danach das Recht zur Anfechtung der Betriebsratswahl aufgrund einer fehlerhaften Wählerliste, wenn sie nicht zuvor ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt haben.

Klarstellung zur Fristenberechnung

Der Gesetzgeber hat mit einem neuen Absatz 2 in § 41 WO die bisherige Rechtsprechung aufgegriffen, wonach bei der Berechnung der Fristen der Wahlordnung gemäß den §§ 186 bis 193 BGB in bestimmten Fällen abweichend zum gesetzlich vorgesehenen Tagesende (24:00 Uhr) eine vorzeitige Uhrzeit, wie etwa 12:00 Uhr, für die Abgabe bestimmter Erklärungen vorgesehen werden darf.

Fazit

Auch wenn die Änderungen und Ergänzungen der Wahlordnung nachvollziehbar sind, bleiben die Betriebsratswahlen kompliziert und fehleranfällig. Die Wahlvorstände sollten, soweit sie nicht über entsprechende Erfahrungen verfügen, auch vor dem Hintergrund der Neuerungen rechtzeitig geschult werden, damit insgesamt Anfechtungsrisiken minimiert werden. Wie Oltmanns (ArbRAktuell 2021, 520) zutreffend ausführt, wären noch weitere Änderungen, wie etwa eine virtuelle Stimmabgabe wünschenswert gewesen, zumal die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannt wurde.

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